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Mittwoch, 9. September 2009

Die Identität des Weiser Dawidek

Gestern Abend war ich bei einem Autorengespräch mit Pawel Huelle. Hatte ich Massen von Besuchern und einen völlig überfüllten Zuschauerraum erwartet, wie ich es von Krakauer Autorengesprächen kennen, hatte ich mich geirrt. Es fand statt im sehr überschaubaren und intimen Rahmen der Filia Gdanska, der Städtischen Bibliothek in der ulica Mariacka.

Übrigens auch ein besichtigungswürdiger Ort, ebenfalls ohne Pawel Huelle: Ein schneckenhausartiges Inneres, Eichenholzmöbel, Messinglampen, eine Wendeltreppe und umlaufende Galerie. Wunderbar bis ins kleinste Detail, es ist so spürbar, wenn jemand Liebe in einen Ort, einen Raum investiert, in diesem Fall war es wohl der Bibliotheksleiter Zbyszek Walczak.

Und dann Pawel Huelle, der ein bißchen erzählte von seinem Danziger Selbstverständnis, Anekdoten, Episoden aus seiner Kindheit, gut berichtet, gut aneinander gefügt. So hätten sie auch in seinem großartigen Buch "Weiser Dawidek" stehen können. Einige Bücher hat er währenddessen auch kommentiert, augenzwinkernd auch das Buch seines Kollegen Stefan Chwin, "Hanemann" (zu deutsch Tod in Danzig).
Viele Anekdoten, die sich um seinen Skeptizismus ranken, was alles Deutsche angeht - jedesmal ein humoristischer Moment, wenn er dabei etwas schuldbewusst den deutschen Konsul anblickte, der neben mir saß und amüsiert aussah, jederzeit.

Seiner Meinung nach übrigens ist das beste Buch von Günter Grass "Katz und Maus", das schmächtigste der Danziger Trilogie. Eine Empfehlung, der ich mich dringend anschließen möchte: Das Werk des großen Fernando Pessoa, des portugiesischen Schreiber-Genies. Huelle empfahl "Ricardo Reis", ich sage: "Das Buch der Unruhe".

Mittwoch, 19. August 2009

Kulturhauptstadt. Danzig?

Gestern mit Slawek in einem Lokal auf der ulica Piwna gewesen und viel Kaffee getrunken. Slawek arbeitet in einem eigens ins Leben gerufenem Projekt-Büro, dass die Pläne schmiedet, wie Danzig in 2016 Europas Kulturhauptstadt werden könnte. Oder, besser gesagt: Einer von beiden Kulturhauptstädten, denn wenn jetzt schon fest steht, dass eine der beiden Städte eine polnische sein soll, so wird die zweite in Spanien liegen.
Beworben hat sich eine illustre Runde von polnischen Städten: unter anderem Warschau, Lódz und Lublin. Krakau nicht, wie Slawek erleichtert erzählte, Krakau war bereits vor einigen Jahren Kulturhauptstadt.

Nun also sitzen die klügsten, kulturversiertesten Köpfe dieser Städte in ihren Büros und erarbeiteten Konzepte, nicht nur, welche Festivitäten statt finden könnten, sondern wie die Kulturlandschaft ihrer Stadt langfristig bereichern könnten. Eine anspruchsvolle Aufgabe. Als man uns den ersten Kaffee serviert, erscheint es mir jedoch ein Kinderspiel. Danzig müsste doch eigentlich automatisch als Sieger hervorgehen, alles andere wären Formalitäten. Noch Kaffee zwei oder drei stellt sich alles als sehr viel diffiziler heraus. Wenn für mich, als Deutsche, Danzig ganz klar eine starke, kulturelle Konnotation in sich birgt - nicht zuletzt dank Günter Grass - so sieht es in den polnischen Köpfen ganz anders aus.

In Polen, erzählte Slawek, hätte Danzig einen politischen, geschichtlichen "Beigeschmack", mehr als alles andere. Natürlich gäbe es berühmte Autoren wie Chwin oder Huelle, die sich in ihren Werken mit dem Phänomen Danzig auseinandersetzten, aber ganz die jüngste, politische Vergangenheit Danzigs könnten sie nicht übertünchen. Überhaupt, die Einstellung der Danziger selber: Sie selber sähen ihre Stadt am kritischsten. Nichts würde hier passieren, nichts sich verändern, nichts spannendes hervortreten.

Ich verwehrte mich gegen diese Darstellung von Danzig. Hätte ich für mich selber drei Städte innerhalb Polens aufzählen müssen, die ich am stärksten mit Kultur in Verbindung bringe, Danzig wäre hundertprozentig unter ihnen gewesen. Kultur ist mehr als Tanz, Theater, Konzerte. Kultur ist die Gesamtheit aller Phänomene einer Stadt, und von denen hat Danzig wahrlich genug. Und dass Politik und Geschichte mit hinein spielen, ist nicht abträglich, sondern die Basis von all dem.